Wie wird sich die türkische Lira entwickeln? Prognosen und Einflussfaktoren gegenüber dem Euro und Dollar bis 2025
Wer Währungen handelt, sollte über die Länder Bescheid wissen, deren Währungen er traden möchte. Je mehr man über ein Land und seine Wirtschaft weiß, desto besser kann man die Stärke oder Schwäche seiner Währung einschätzen, was wiederum dabei hilft, bessere Trading-Entscheidungen zu treffen.
Ein Land, über das Trader in Deutschland gut Bescheid wissen können, ist die Türkei, die ein wichtiger Handelspartner und ein beliebtes Urlaubsziel Deutschlands ist. Wichtiger ist jedoch die Tatsache, dass fast drei Millionen Menschen mit türkischem Migrationshintergrund in Deutschland leben, was das Land für viele Menschen interessant macht.
Als ich vor einigen Jahren durch die Türkei reiste, war ich sehr gespannt darauf, das Land kennenzulernen, aus dem so viele meiner Bekannten stammten. Es machte mir Spaß, die Einheimischen mit meinen Türkischkenntnissen zu beeindrucken. Ich sprach die Menschen immer mit „Arkadasch“ (mein Freund) an, was mich sofort als Touristen entlarvte, aber auch immer wieder für Spaß sorgte. Interessant war auch, dass ich viele Türken traf, die gut deutsch sprachen. Sie waren in Deutschland aufgewachsen, aber hatten sich entschieden, in die Türkei zurückzukehren.
Die Verflechtungen zwischen Deutschland und der Türkei sind also stark und das macht die türkische Lira zu einer Währung, die man für das Forex-Trading durchaus in Betracht ziehen sollte. Neben meinen Urlaubserfahrungen gibt es aber auch einige handfeste finanzielle Gründe, warum die türkische Lira ein spannendes Asset ist.
Makroökonomische Lage der türkischen Wirtschaft
Schauen wir uns zuerst die makroökonomische Situation der Türkei an. Recep Tayyip Erdogan wurde im Mai 2023 als Präsident wiedergewählt und hat im Juni ein neues Wirtschaftsteam einberufen. Der erfahrene Merrill-Lynch-Stratege Mehmet Simsek wurde zum Finanzminister ernannt, und der erfahrene Wall Street-Banker Hafize Gaye Erkan wurde zum Gouverneur der Zentralbank ernannt. Diese Namen stehen für eine marktwirtschaftliche Perspektive und die türkischen Märkte erlebten nach diesen Ernennungen eine Welle des Optimismus. Aktien und Dollar-Anleihen stiegen, während fünfjährige Credit Default Swaps, ein wichtiger Indikator für das Länderrisiko, um mehr als 250 Basispunkte fielen.
Diese Ernennungen waren ein guter Anfang, aber Investoren sind skeptisch, ob es so weitergehen wird, denn in der Vergangenheit hat sich die türkische Wirtschaftspolitik manchmal sehr schnell geändert. Die Analysten der Banken erklären, dass die Märkte weiterhin darauf fixiert sind, ob und wie die Türkei nach der Sprunghaftigkeit der letzten Jahre das Richtige tun wird. Für die kurzfristige Prognose der türkischen Lira scheint nichts anderes wichtig zu sein, als Stabilität.
Während der Amtszeit von Naci Agbal als Zentralbankgouverneur, zum Beispiel, die von November 2020 bis März 2021 dauerte, erholte sich die Währung. Er wurde jedoch nach einer Reihe von Zinserhöhungen entlassen, die im Widerspruch zu Erdogans Theorie standen, dass niedrige Zinssätze die Inflation senken. Anleger sind schon zu oft durch Kehrtwendungen in der türkischen Wirtschaftspolitik verbrannt worden und bleiben deshalb skeptisch.
Hier sind drei wichtige Faktoren, die in den Jahren 2024 und 2025 einen besonders starken Einfluss auf die türkische Lira haben werden:
· Geldpolitik: Unter dem neuen Wirtschaftsteam hat die türkische Zentralbank den Leitzins von 8,5 % auf 45 % angehoben und gleichzeitig einige der unkonventionellen Maßnahmen, die ausländische Investoren abschreckten, zurückgefahren. Dies beruht auf der Einschätzung der Bank, dass das derzeitige Ausmaß der geldpolitischen Straffung dem entspricht, was erforderlich ist, um eine Desinflation zu erreichen. Bei einer Inflation von über 67 % (Stand März 2024) scheint dieser Ansatz nicht ganz funktioniert zu haben.
Die Frage ist nun, ob es die CBT schafft, die Inflation durch ihre Zinspolitik oder andere Instrumente in den Griff zu bekommen.
· Aufhebung von Beschränkungen: Das neue Wirtschaftsteam hat nicht nur die Zinssätze erhöht, um die Geldpolitik zu straffen, sondern auch die von ihren Vorgängern eingeführten Maßnahmen zurückgenommen und Regelungen gestrafft. Ziel dieser Maßnahmen war es, den Abwertungsdruck auf die Lira zu verringern, aber dies hat auch die Kapitalzuflüsse in die Türkei reduziert. Die neue Regierung hat zum Beispiel Vorschriften abgeschafft, die die Banken zum Kauf von Staatsanleihen als Strafe für die Vergabe von Krediten zu Zinssätzen oberhalb festgelegter Schwellenwerte oder für die Nichteinhaltung von Benchmarks für Unternehmenskredite verpflichteten.
Es muss sich nun zeigen, ob diese positiven Ansätze fortgeführt und weitere Anleger ins Land locken werden.
· Krieg im Nahen Osten: Auch wenn die Türkei nicht direkt am Krieg in Israel beteiligt ist, hat sie als muslimisches Land, immer wieder deutlich gezeigt, auf wessen Seite sie steht. Bisher hat sich Präsident Erdogan relativ ruhig verhalten und die Märkte haben keinen erkennbaren Schlag abbekommen.
Sollte sich der Krieg jedoch auf den Libanon ausbreiten, der direkt an die Türkei grenzt, könnte es für Erdogan schwieriger werden, unbeteiligt zu bleiben.
Euro-Lira-Prognose
Neben diesen allgemeinen Faktoren für den Türkische-Lira-Kurs, gibt es einige, die für das Währungspaar Euro-Lira (EUR/TRY) spezifisch sind. Ein wichtiger Faktor ist natürlich die wirtschaftliche Situation der Eurozone, die mit der der Türkei verglichen wird.
Änderungen in EUR/TRY in Echtzeit:
Hier ist die Zinspolitik der EZB ein wichtiger Faktor und der aktuelle Zinssatz von 4,5 % in Europa ist relativ hoch, was den Euro gegenüber anderen Währungen stärkt. Allerdings könnte die Europäische Zentralbank im Juni eine Zinssenkung vornehmen, wenn die Inflation in der Eurozone weiter zurückgeht. Dies sagte der Gouverneur der Bank von Spanien und Mitglied des EZB-Rates, Pablo Hernandez de Kos, laut Reuters.
Da hohe Zinsen normalerweise ausländische Investitionen anziehen, was die Nachfrage nach und den Wert der Währung des Heimatlandes erhöht, wären Zinssenkungen im Juni eine gute Nachricht für den Kurs der türkischen Lira gegen den Euro.
Ein weiterer positiver Faktor für die Lira im Vergleich zum Euro ist das prognostizierte BIP-Wachstum für 2024. Für die Türkei wird ein Wachstum der Wirtschaft zwischen 2,9 % und 3,5 % erwartet, während es im Euroraum nur bei 0,8 % liegen soll. Hier erwartet die OECD jedoch einen Anstieg des europäischen BIP auf 1,3 %.
Auch hat Europa mit einer relativ hohen Arbeitslosenrate zu kämpfen, die nach Meinung von einigen Analysten in 2024 bei 6,5 % liegen soll. Allerdings sieht es hier in der Türkei weit schlechter aus, denn dort könnte die Arbeitslosenrate bis Ende 2024 bis auf 15 % ansteigen.
Ein weiterer wichtiger negativer Einfluss auf den Wechselkurs zwischen dem Euro und der türkischen Lira ist die sehr hohe Inflation in der Türkei. Sie ist 2023 auf über 60 % angesprungen und hat sich bisher nicht erholt. Da die Inflation weltweit am Steigen ist, wird es für die Lira schwierig, ihren Wert zu steigern.
Nach Meinung von Analysten der Bertelsmann Stiftung gibt es zwei Faktoren, die für den Euroraum und damit die europäische Währung besonders zu beachten sind. Erstens die hohe Verschuldung vieler Mitgliedsländer. Wenn Regierungen auslaufende Kredite durch neue ersetzen, müssen sie höhere Zinssätze zahlen. Wenn diese zusätzlichen Ausgaben nicht durch Steuererhöhungen oder Ausgabenkürzungen ausgeglichen werden, steigt die Verschuldung weiter an.
Mehrere europäische Länder wie Griechenland, Italien, Spanien, Portugal und Frankreich haben einen überdurchschnittlich hohen Schuldenstand - d. h. die Staatsverschuldung im Verhältnis zum BIP. Dies wird den Euro schwächen.
Der zweite Problembereich für den Euro ist der internationale Handel. Immer mehr Länder nutzen ihre wirtschaftliche Macht, um ihren geopolitischen Einfluss zu vergrößern. Die Folge: Handelsbeschränkende Maßnahmen - d.h. Strafzölle, Exportverbote, Wirtschaftssanktionen, etc. - werden zunehmend eingesetzt.
Die damit verbundenen Beschränkungen des grenzüberschreitenden Handels betreffen exportorientierte Volkswirtschaften, darunter auch viele europäische Länder und besonders Deutschland.
US-Dollar-Lira-Prognose
Die Analyse des Wechselkurses zwischen dem amerikanischen Dollar und der türkischen Lira (USD/TRY) ist der des Euro ähnlich, jedoch mit etwas mehr Unsicherheit behaftet. Die Unsicherheit ist vor allem den Präsidentschaftswahlen in den USA im November 2024 geschuldet. Hier wird es zu einem Duell zwischen dem Demokraten Joe Biden und dem Republikaner Donald Trump kommen und das Ergebnis wird sich stark auf den amerikanischen Dollar und damit auf den Wechselkurs mit der türkischen Lira auswirken.
Änderungen in USD/TRY in Echtzeit:
Nach Ansicht der Devisenstrategen von Barclays Plc. könnte der US-Dollar im Falle einer Wiederwahl des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump im November um 3 % zulegen, da er mehr Zölle, wirtschaftliche Anreize und ein schwächeres Engagement in der NATO vorschlägt.
Sollte hingegen Joe Biden wiedergewählt werden, könnte der USD einbrechen, wie er es nach seinem Wahlsieg am Ende des Jahres 2024 tat.
Die wirtschaftliche Entwicklung in den USA wird allerdings optimistisch bewertet. Nach Angaben der National Association for Business Economics wird die Wirtschaft in 2024 inflationsbereinigt voraussichtlich um 2,2 % wachsen, während sie 2025 nur um 1,7 % zunehmen soll. Aufgrund der US-Wahlen Ende 2024, könnte sich die Prognose für 2025 noch deutlich ändern.
Ein Faktor, der die Stärke des US-Dollars beeinflusst, ist natürlich der Leitzins der Fed. Diese hat Ende März 2024 angedeutet, dass sie den Leitzins von 5,5 % in diesem Jahr drei Mal senken könnte, was zu einer Rally an der Wall Street führte. Diese Kennzahl sollte man dementsprechend genau beobachten.
Die Schwachstelle der amerikanischen Wirtschaft ist jedoch die Inflation, die Anfang 2024 bei 3,2 % lag. Die Verbraucherpreise sind ein wichtiges Thema im Wahlkampf und beeinflussen die Verbraucherstimmung stark. Sollte die Inflation nicht gesenkt werden, könnte dies einen Domino-Effekt auslösen, der die Verbraucherstimmung und dadurch die gesamte amerikanische Wirtschaft herunterzieht.
Fazit und Ausblick
Für die Wirtschaft der Türkei und damit für ihre Währung, basiert in den kommenden Jahren alles auf der Frage der Stabilität. Wird das Land in der Lage sein, potenziellen Investoren eine stabile Wirtschaftspolitik zu bieten, oder werden die Launen des Präsidenten weiterhin langfristige Planungen unmöglich machen?
Weiterhin muss die Regierung die Zinsen weiter anheben und die Finanzpolitik straffen, um die Inflation zu verringern. Sie muss Arbeitsplätze schaffen und den Arbeitsmarkt regulieren, um die Arbeitslosigkeit zu verringern. Vor allem jedoch muss die Stärkung der Rechtsstaatlichkeit auf dem Programm stehen, also die Sicherstellung der Unabhängigkeit der Justiz und der Zentralbank, Gewährleistung der gleichen Anwendung des Rechts für alle Bürger und Eindämmung der Korruption.
Extern muss sich die Türkei aufgrund ihrer Nähe den Herausforderungen des Nahen Ostens stellen. Wird sie sich in den Konflikt hineinziehen lassen und sich der Russland-, Iran-, China-Achse anschließen, oder als Mitglied der NATO ihren westlichen Verbündeten treu bleiben?
Trader der türkischen Lira können auch kurzfristig auf Naturereignisse reagieren, wie das Erdbeben in der Türkei, bei dem Anfang 2023 über 50.000 Türken umkamen.
Aufgrund der vielen Herausforderungen, der sich die Türkei gegenübersieht, ist die Kurs der Lira im Vergleich zum Euro und dem US-Dollar seit dem März 2023 stetig gefallen. Diese Tatsache bietet jedoch auch viel Potenzial für Gewinne, sollte die Türkei in der Lage sein, die oben angesprochenen Probleme zu lösen.
Im Vergleich zum Euro könnte die türkische Lira noch bessere Aussichten haben als im Vergleich zum US-Dollar.
Die europäischen Volkswirtschaften schwächeln und sich hoch verschuldet, während der internationale Handel ebenfalls abnimmt. Hinzu kommt, dass im Krieg in der Ukraine kein Ende in Sicht ist, was sich ebenfalls negativ auf den Euro auswirkt. Kurzfristig ist die Stabilität des europäischen Wirtschaftsraums jedoch der Hauptfaktor dafür, dass der Euro stark bleiben sollte.
Die Prognosen für die USA für 2024 und 2025 sind deutlich optimistischer als für Europa und die Türkei und langfristig könnte sich das in einem starken US-Dollar manifestieren. Solange jedoch die Präsidentschaftswahlen noch nicht hinter uns liegen, bleibt dies ein Unsicherheitsfaktor für die USA. Eine Wiederwahl Joe Bidens könnte die Märkte enttäuschen, während eine Wiederwahl Donald Trumps den USD in die Höhe schießen lassen könnte.
Trader können sich also entsprechend positionieren und erst einsteigen, wenn der neue US-Präsident feststeht. Bis dahin kann mit dem Euro und der türkischen Lira getradet werden, denn sollte es keine Anzeichen für Reformen in der Türkei geben, sollte die Lira ihren Abstieg gegen den stabilen Euro fortsetzen.
Wer also die türkische Wirtschaft auf Basis der oben genannten Faktoren beobachtet, könnte dadurch einige profitable Trading-Ideen erhalten. Wie bei allen Finanzanlagen, könnte das hohe Risiko im Euro-Lira-Kurs und im Dollar-Lira-Kurs mit höheren Renditen belohnt werden.
Welche Faktoren beeinflussen den Wechselkurs der türkischen Lira gegenüber dem Euro und dem Dollar?
Was sind die Prognosen für die türkische Lira in den Jahren 2024 bis 2025?
Wie können Investoren mit der Volatilität der türkischen Lira umgehen?
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