Der US-Dollar (USD) hat gestern nach den schwächer als erwartet ausgefallenen US-Inflationsdaten erheblich an Wert verloren. Auf den ersten Blick mag dies logisch erscheinen. Schließlich begünstigt ein gedämpfter Inflationsdruck potenziell schnellere Zinssenkungen durch die Fed. Die Reaktion war jedoch alles andere als trivial. Man könnte genauso gut argumentieren, dass die Risiken einer Stagflation abgenommen haben, was positiv für den Dollar wäre, stellt Thu Lan Nguyen, Leiterin des Devisen- und Rohstoff-Research der Commerzbank, fest.
„Dass der Devisenmarkt auf die Zahlen mit einer Dollarschwäche reagiert hat, könnte aber auch einen anderen Grund haben: Der US-Präsident dürfte sich durch das Ergebnis bestätigt fühlen. Und damit sind nicht die - zugegebenermaßen erheblich niedrigeren - Eierpreise gemeint, sondern vor allem das Ausbleiben eines Zolleffekts in den April-Preisdaten, was manchen überrascht haben mag. Natürlich lassen sich Erklärungen finden: Ausreichende Lagerbestände zum Beispiel, die es den Unternehmen erlauben, Preiserhöhungen hinauszuzögern. Tatsache ist jedoch, dass die befürchteten horrenden Preiserhöhungen bisher ausgeblieben sind. Das ist eine gute Nachricht für die Befürworter einer harten US-Zollstrategie, denn es verringert den Druck auf die US-Regierung, die Zölle so schnell wie möglich zurückzunehmen und 'Deals' mit den Handelspartnern vorzulegen.“
„Auf der anderen Seite zeigen die Inflationszahlen aber auch, dass die Auswirkungen der Zölle schwieriger einzuschätzen sein könnten als erwartet. Das macht die Sache für die US-Notenbank nicht einfacher und könnte darauf hindeuten, dass sie mit einer möglichen Zinssenkung eher noch warten wird. Auch wenn die jüngste Einigung zwischen den Regierungen der USA und Chinas auf eine erhebliche Senkung der gegenseitigen Zölle die Preisrisiken verringert hat, dürfte Einigkeit darüber bestehen, dass ein Zoll von 30 % auf Einfuhren aus China immer noch eine erhebliche inflationäre Wirkung hat.“
„Dies könnte umso mehr der Fall sein, als der Fed-Vorsitzende Jay Powell unter Beschuss von US-Präsident Trump steht. Letzterer konnte es sich nicht verkneifen, Powell gestern nach den Inflationszahlen auf seinem bevorzugten Social-Media-Kanal zu beschimpfen. Schon allein um die Unabhängigkeit der US-Notenbank zu untermauern, könnte es sich lohnen, dass die Fed Hoffnungen auf schnelle Zinssenkungen weiterhin zurückweist. Immerhin ist die Inflation nicht massiv hinter den Erwartungen zurückgeblieben (0,2 % statt 0,3 % im Vergleich zum Vormonat laut Bloomberg-Umfrage). Vielleicht sollten wir es nicht übertreiben?“