Stell dir vor, du könntest Aktien, Anleihen und sogar Fonds nicht mehr über klassische Börsen handeln, sondern direkt auf der Blockchain. Genau das könnte schon bald Realität werden – zumindest wenn es nach den Bitwise-Managern Matt Hougan und Ryan Rasmussen geht. In einem aktuellen Brief an Investoren malen sie ein Bild, das selbst erfahrene Anleger aufhorchen lässt: Bis zu 5 % des weltweiten Aktien- und Anleihenmarktes könnten in den nächsten Jahren tokenisiert werden.
Zur Erinnerung: Wir sprechen hier nicht über eine kleine Nische, sondern über einen Markt im Wert von 257 Billionen US-Dollar. „Aktien sind ein 117-Billionen-Dollar-Markt. Anleihen bringen es auf 140 Billionen. Zusammen sind das 257 Billionen Dollar, um die in den kommenden Tokenization Wars gekämpft wird“, schreiben Hougan und Rasmussen. Und das, bevor überhaupt an exotischere Vermögenswerte gedacht wird.
Der Hype um tokenisierte Produkte kommt nicht aus dem Nichts. Börsen wie Robinhood und Kraken haben bereits erste Angebote für europäische Kunden auf den Weg gebracht. Coinbase wiederum arbeitet intensiv daran, sich in den USA die nötige Genehmigung zu sichern. Und das alles in einer Phase, in der auch von höchster politischer Stelle Bewegung zu spüren ist.
US-Präsident Donald Trump hat wiederholt betont, dass die USA „an der Spitze der Finanzinnovation“ stehen müssen. Vor diesem Hintergrund wäre es kaum überraschend, wenn die Aufsichtsbehörden künftig einen pragmatischeren Kurs gegenüber Blockchain-basierten Finanzprodukten einschlagen.
Doch die wohl deutlichste Unterstützung kommt aus der Wirtschaft selbst. Larry Fink, der CEO von BlackRock, schrieb in seinem Aktionärsbrief für 2025:
„Jede Aktie, jede Anleihe, jeder Fonds – jedes Asset – kann tokenisiert werden.“
BlackRock ließ den Worten auch Taten folgen. Im März 2024 brachte der Finanzriese seinen BlackRock USD Institutional Digital Liquidity Fund (BUIDL) auf der Ethereum-Blockchain an den Start. Das Ergebnis? Weniger als ein Jahr später verwaltet der Fonds bereits mehr als 1 Milliarde US-Dollar – schneller als jeder andere tokenisierte Fonds zuvor.
Sollte Finks Vision Realität werden, könnte der Markt für tokenisierte Vermögenswerte um den Faktor 4.000 wachsen. „Das klingt verrückt, aber es erscheint möglich – und würde Billionen Dollar bedeuten“, betonen die Bitwise-Manager.
Zum Vergleich: Analysten erwarten, dass der Stablecoin-Markt bis 2028 auf 2 Billionen US-Dollar klettern könnte. Bernstein traut dem Sektor sogar 4 Billionen in den nächsten zehn Jahren zu. Aber Bitwise bleibt gelassen:
„2 Billionen wären Peanuts im Vergleich zur Tokenisierung. Das entspräche weniger als 1 % von Larry Finks Traum.“
Klar ist: Der große Durchbruch wird nicht über Nacht kommen. Hougan und Rasmussen gehen davon aus, dass es noch mindestens ein Jahrzehnt dauert, bis „der Großteil des Handels mit Aktien und Anleihen on-chain stattfindet“. Trotzdem sind die unmittelbaren Auswirkungen bereits spürbar – vor allem für die Blockchain-Protokolle, die die Basis für die Tokenisierung liefern.
Ethereum (ETH), Solana (SOL), Chainlink (LINK) und Ondo (ONDO) zählen zu den Profiteuren. Banken und Investmenthäuser wie JPMorgan, Franklin Templeton sowie Robinhood, Kraken und Coinbase setzen zunehmend auf diese Netzwerke, um ihre tokenisierten Produkte zu launchen.
Doch wo Chancen sind, sind auch Hürden. Hester Peirce, Kommissarin der Securities and Exchange Commission (SEC), stellte am Mittwoch klar:
„Tokenisierte Wertpapiere sind immer noch Wertpapiere.“
Peirce forderte US-Emittenten auf, auch bei Blockchain-Produkten die Bundeswertpapiergesetze strikt einzuhalten – sowohl on-chain als auch off-chain. Gleichzeitig zeigte sie sich offen für Innovationen: Die SEC sei bereit, mit der Industrie zusammenzuarbeiten, um Ausnahmen zu prüfen und veraltete Regeln anzupassen, wenn neue Technologien dies notwendig machten.
Die Tokenisierung von Real-World Assets könnte der nächste große Wachstumsmarkt werden – größer als Bitcoin, größer als Stablecoins. Mit der Unterstützung von Branchengiganten wie BlackRock, wachsendem Interesse der Börsen und einer zunehmend innovationsfreundlichen politischen Stimmung in den USA stehen die Zeichen auf Grün.
Doch wie bei jeder Revolution braucht es Zeit. Anleger, die früh dabei sind, könnten sich jedoch einen erheblichen Vorteil sichern. Der Markt ist riesig, die Technologie erprobt – und das Rennen hat gerade erst begonnen.