Ripple (XRP) bewegt sich am Donnerstagvormittag bei rund 2,28 US-Dollar. Das klingt auf den ersten Blick unspektakulär – doch die Hintergründe und das Gesamtbild deuten auf eine deutlich spannendere Lage hin. Denn einerseits beeinflussen politische Entwicklungen das Marktumfeld, andererseits gibt es technische Anzeichen, dass XRP bald kräftig ausschlagen könnte – in die eine oder andere Richtung.
Ein Auslöser für den aktuell leicht positiven Grundton an den Kryptomärkten ist eine Entscheidung aus den USA. Ein Gericht hat am Mittwoch Präsident Trumps Strafzölle einkassiert – mit einer durchaus bemerkenswerten Begründung: Handelsfragen liegen laut US-Verfassung ausschließlich in der Zuständigkeit des Kongresses, nicht beim Präsidenten. Auch wenn sich Trump auf seine Notstandsbefugnisse berief, überzeugte das die Richter nicht.
Der Markt quittierte das Urteil mit einem kollektiven Aufatmen – nicht nur im klassischen Handel, sondern auch bei Kryptowährungen. Hintergrund: Weniger Handelskonflikte bedeuten in der Regel mehr Planbarkeit für Unternehmen – und damit auch ein freundlicheres Umfeld für risikobehaftete Anlagen wie Bitcoin, Ethereum oder eben XRP.
Auch regulatorisch bewegt sich etwas. Die US-Börsenaufsicht SEC hat die Agenda für ihre bevorstehende Krypto-Runde veröffentlicht. Am 9. Juni geht es in Washington, D.C. um das Thema „DeFi and the American Spirit“. Ziel: ein offener Austausch darüber, wie dezentrale Finanzsysteme in den regulatorischen Rahmen der USA passen können – oder eben auch nicht.
Auf dem Panel sitzen unter anderem Jill Gunter von Espresso Systems, Omid Malekan von der Columbia Business School, Rebecca Rettig von Jito Labs und Peter Van Valkenburgh vom Coin Center. Geleitet wird die Runde von Krypto-freundin Hester M. Peirce. Ihre Botschaft ist klar:
„DeFi zeigt, was Krypto leisten kann: Menschen können direkt miteinander handeln – ganz ohne Vermittler. Ich bin gespannt, wie wir ein Umfeld schaffen können, in dem DeFi floriert.“
Blickt man auf den Chart, zeigt sich: XRP hat nach einem positiven Start in den Mai zuletzt wieder deutlich nachgegeben. In den letzten zwei Wochen ging es eher abwärts – und Trader richten ihren Blick nun verstärkt auf die 2,20-Dollar-Marke. Dort könnte es erneut zu einer Gegenbewegung kommen.
Was dabei auffällt: Der Kurs notiert aktuell unterhalb wichtiger gleitender Durchschnitte im 4-Stunden-Chart – konkret der EMA50, EMA100 und EMA200. Das spricht kurzfristig für weiter anhaltenden Verkaufsdruck. Auch der RSI hat sich unter die wichtige 50er-Schwelle zurückgezogen, was ebenfalls auf ein eher bärisches Momentum hinweist.
Sollte der MACD (Moving Average Convergence Divergence) jetzt noch ein Verkaufssignal liefern – etwa durch das Kreuzen der MACD-Linie unter die Signallinie –, wäre ein erneuter Test der Unterstützungszonen bei 2,20, 2,21 und sogar 2,00 US-Dollar möglich.
Ein Lichtblick aus Sicht der Charttechnik: Auf dem 4-Stunden-Chart ist ein sogenanntes Falling-Wedge-Muster zu erkennen. Das ist ein klassisches Umkehrsignal und könnte auf einen baldigen Ausbruch nach oben hindeuten – vorausgesetzt, der Kurs schafft es, die obere Trendlinie zu durchbrechen. Entscheidend wäre dabei auch ein begleitender Anstieg beim Handelsvolumen.
Wenn das gelingt, liegt das nächste realistische Kursziel bei rund 2,63 US-Dollar – ein Anstieg von etwa 14 % gegenüber dem aktuellen Niveau. Diese Marke ergibt sich aus der Breite des Musters, übertragen auf den potenziellen Ausbruchspunkt.
Ein weiterer Faktor: Die Entwicklung am Derivatemarkt. Das sogenannte Open Interest – also das Gesamtvolumen offener Futures und Optionen – ist in den letzten 24 Stunden um 4,6 % auf 4,67 Mrd. US-Dollar gefallen. Gleichzeitig ist das Handelsvolumen stark angestiegen – um fast 50 % auf 4,45 Mrd. US-Dollar.
Das spricht eine deutliche Sprache: Viele Trader schließen derzeit ihre Positionen – vor allem auf der Long-Seite. Die Liquidationen in diesem Bereich lagen innerhalb eines Tages bei rund 8,5 Mio. US-Dollar. Zum Vergleich: Auf der Short-Seite waren es nur 713.000 US-Dollar. Diese Diskrepanz deutet darauf hin, dass viele auf steigende Kurse gesetzt hatten – und sich nun aus dem Markt zurückziehen.
Diese Unsicherheit dürfte sich in den kommenden Tagen weiter bemerkbar machen. Am Freitag stehen neue US-Inflationszahlen an – konkret der PCE-Preisindex, den die US-Notenbank als besonders relevant einstuft. Überraschungen in diesen Daten könnten kurzfristig für kräftige Ausschläge sorgen – nach oben oder unten.
Ripple befindet sich aktuell in einer klassischen Übergangsphase. Auf der einen Seite sorgen politische und regulatorische Entwicklungen für Auftrieb – auf der anderen Seite gibt es charttechnisch noch einige Hürden. Ob der Ausbruch auf 2,63 US-Dollar gelingt oder ein Rücksetzer auf 2,00 Dollar droht, dürfte sich in den nächsten Tagen entscheiden.
Für Anleger heißt das: Beobachten, aber mit Plan. Wer auf den Ausbruch setzt, sollte auf klare Signale warten. Wer auf Sicherheit aus ist, bleibt vorerst an der Seitenlinie – und schaut genau hin, was der Markt mit den nächsten Inflationsdaten anfängt.