Ethereum (ETH) ist mit einem kleinen Rückschlag in die Woche gestartet. Der Kurs fiel am Montag um rund 1 %. Der Auslöser? Ein neuer Blogeintrag von Ethereum-Mitgründer Vitalik Buterin, in dem er sehr offen einräumt: Das Netzwerk ist zu kompliziert – und das muss sich dringend ändern.
In seinem Beitrag beschreibt Buterin, dass Ethereum zunehmend unter der eigenen Komplexität leidet. Das Protokoll sei anfällig für Sicherheitslücken, die Entwicklung teuer und aufwendig. Zum Vergleich zieht er ausgerechnet den „Erzrivalen“ Bitcoin heran – und spart nicht mit Anerkennung: Das Bitcoin-Protokoll sei so überschaubar, dass sogar ein kluger Teenager es verstehen könne. Entwickler könnten sich hobbymäßig mit dem Code beschäftigen, ohne gleich eine Großbaustelle aufzumachen.
Diese Einfachheit, sagt Buterin, sollte auch für Ethereum erreichbar sein – in etwa fünf Jahren. Und er hat konkrete Ideen, wie das gelingen könnte.
Zwei Technologien stehen im Zentrum seines Vorschlags: Zum einen die sogenannte Beam Chain, die mittelfristig die bisherige Beacon Chain ersetzen könnte – also die zentrale Struktur, über die Ethereum-Knoten miteinander kommunizieren. Das Ziel: Eine einfachere, robustere Architektur, die das Netzwerk stabiler und weniger fehleranfällig macht.
Zum anderen rückt die Ethereum Virtual Machine (EVM) in den Fokus. Buterin kritisiert, dass sie über die Jahre hinweg auf bestimmte kryptografische Verfahren und Speziallösungen hin überoptimiert wurde – viele davon sind heute kaum noch relevant. Statt an Details herumzuschrauben, plädiert er für einen Systemwechsel: RISC-V. Diese offene Prozessorarchitektur könnte die EVM komplett ersetzen – und das laut Buterin mit einem Effizienzsprung um den Faktor 100. Im Vergleich dazu wirken klassische EVM-Verbesserungen, die bestenfalls das 1,5-Fache bringen, eher kleinteilig.
Natürlich wäre ein solcher Schritt technisch herausfordernd – vor allem in Sachen Rückwärtskompatibilität. Doch auch dafür liefert Buterin bereits eine Lösungsskizze: Eine schrittweise Einführung, bei der Ethereum langfristig nur noch RISC-V versteht. Damit könnte man das System radikal vereinfachen – ohne das Ökosystem zu destabilisieren.
Die Vorteile eines entschlackten Ethereum-Protokolls liegen auf der Hand: Weniger Angriffsfläche für Bugs, niedrigere Entwicklungskosten, mehr Entwickler, die mitwirken können – und insgesamt ein Netzwerk, das leichter weiterentwickelt werden kann. Auch in der Governance, also der Entscheidungsfindung im Netzwerk, könnten sich dadurch mehr Teilnehmer einbringen. Und genau das braucht Ethereum, wenn es langfristig skalieren will.
Trotz der leichten Kursverluste zeigen sich institutionelle Anleger weiter interessiert. Laut den Marktforschern von SoSoValue flossen allein in der vergangenen Woche 106,75 Millionen US-Dollar in US-Spot-ETFs auf Ethereum – das war bereits die zweite Woche in Folge mit einem klaren Nettozufluss. Für ein Asset, das angeblich zu komplex und volatil ist, keine schlechten Zahlen.
Rein charttechnisch bleibt die Lage allerdings angespannt. Laut Coinglass wurden in den letzten 24 Stunden ETH-Futures im Wert von 44,45 Millionen US-Dollar liquidiert. Besonders auffällig: 35,71 Millionen US-Dollar davon waren Long-Positionen, was darauf hindeutet, dass viele Trader zuletzt auf steigende Kurse gesetzt hatten – und enttäuscht wurden.
Nach dem Ausbruch aus einem fallenden Trendkanal in der Vorwoche, bildete sich nun eine sogenannte Doji-Kerze auf dem Wochenchart. Diese signalisiert: Unentschlossenheit. Käufer und Verkäufer halten sich aktuell die Waage – und das nach einem Anstieg, was oft ein Vorbote für fallende Kurse ist.
Zudem prallte ETH erneut an der 9-Wochen-EMA (exponentieller gleitender Durchschnitt) ab – ein Niveau, das seit Januar nicht mehr nachhaltig überschritten wurde. Ein klares Zeichen dafür, dass die Bullen es gerade schwer haben, neues Momentum zu entwickeln.
Aktuell testet Ethereum erneut die 1.800-Dollar-Marke – eine Zone, die schon im April als harter Widerstand galt. Sollte der Kurs hier erneut scheitern, wäre ein Rückfall auf 1.688, 1.550 oder sogar 1.470 US-Dollar denkbar. Diese drei Zonen gelten derzeit als die wichtigsten Unterstützungsbereiche.
Auf der anderen Seite: Gelingt es den Bullen, sich oberhalb von 1.800 Dollar zu etablieren, könnte ein Rebound bis in den Bereich um 2.100 US-Dollar bevorstehen. Und das ist mehr als nur ein technischer Widerstand: In dieser Zone – zwischen 2.055 und 2.505 Dollar – haben Investoren laut IntoTheBlock über 69 Millionen ETH akkumuliert. Hier beginnt die bisher größte historische Nachfragezone von Ethereum.
Der Relative Strength Index (RSI) tastet sich aktuell an seine Signallinie heran. Ein Durchbruch nach oben könnte ein Signal für neuen Kaufdruck sein. Gelingt das nicht, droht weiterer Abgabedruck.
Immerhin: Der Stochastic Oscillator ist zum ersten Mal seit Februar aus dem überverkauften Bereich geklettert – ein kleines positives Zeichen. Auch der MACD zeigt sich etwas freundlicher: Die roten Histogrammbalken schwinden, was auf eine nachlassende bärische Dynamik hindeutet.
Vitalik Buterin stellt Ethereum vor eine seiner größten strukturellen Entscheidungen überhaupt: Weniger Komplexität, mehr Klarheit – und das mit einem langfristigen Horizont. Der Markt scheint diesen Plan derzeit mit Zurückhaltung zur Kenntnis zu nehmen. Doch die Zuflüsse in ETFs und die technische Ausgangslage deuten darauf hin: Noch ist nichts entschieden. Wer investiert ist, sollte die 1.800-Dollar-Marke genau im Auge behalten – sie könnte darüber entscheiden, ob Ethereum in den kommenden Wochen wieder in Fahrt kommt oder sich erst einmal eine Pause gönnt.
Langfristig allerdings dürfte Buterins Vorschlag Ethereum in eine neue Phase führen. Eine Phase, in der das Netzwerk nicht nur mächtig, sondern endlich auch überschaubar wird. Und das könnte im Rennen gegen konkurrierende Protokolle ein entscheidender Vorteil sein – gerade jetzt, wo sich mit Donald Trump im Weißen Haus auch das politische Umfeld für Krypto-Innovationen wieder verändert.