Ethereum (ETH) steht am Mittwoch rund 3 % im Minus. Der Rücksetzer kommt nicht aus dem Nichts: Die On-Chain-Daten der führenden Altcoin liefern derzeit ein widersprüchliches Bild. Während Futures-Händler zunehmend auf fallende Kurse wetten, halten sich Spot-Investoren weiterhin zurückhaltend optimistisch. Für Anleger stellt sich nun die Frage: Ist das nur eine Verschnaufpause – oder der Beginn einer stärkeren Korrektur?
Die Futures-Daten sprechen eine klare Sprache: Laut Coinglass ist das Open Interest – also die Zahl offener Derivatekontrakte – am Mittwoch um mehr als 700.000 ETH gestiegen. Damit wurde der Rückgang seit Freitag vollständig wettgemacht. Was auf den ersten Blick wie ein Zeichen von Interesse wirkt, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als bärisches Signal. Denn das zusätzliche Kapital floss nicht in Longs, sondern in Short-Positionen. Heißt konkret: Immer mehr Trader setzen auf fallende Kurse.
Noch deutlicher zeigt das ein weiterer Indikator: das sogenannte Taker Buy/Sell Ratio bei Perpetual Futures. Es vergleicht Kauf- und Verkaufsvolumen aktiver Trader. Ein Wert über 1 gilt als bullisch, unter 1 als bärisch. Innerhalb eines Tages fiel der Wert von 0,99 auf 0,91 – ein klarer Hinweis auf zunehmenden Verkaufsdruck.
Zur Einordnung: Beim letzten vergleichbaren Rückgang dieser Kennzahl verlor Ethereum fast 18 %. Allerdings: Historisch betrachtet folgte auf besonders tiefe Werte oft eine bullishe Gegenbewegung. Die Luft ist also dünn – aber möglicherweise nicht mehr lange.
Ganz anders sieht es im Spot-Markt aus. Dort dominiert aktuell ein zurückhaltend bullishes Sentiment. Seit sechs Tagen in Folge verzeichnen Börsen Nettoabflüsse bei ETH – ein klares Zeichen dafür, dass Anleger ihre Coins eher halten als verkaufen wollen.
Das Gleiche lässt sich bei US-Ether-ETFs beobachten. Laut SoSoValue flossen allein am Dienstag 18,4 Mio. US-Dollar in diese Produkte. Insgesamt wurden über vier Tage hinweg Zuflüsse von 250 Mio. US-Dollar registriert – das gab es zuletzt im Februar. Auch institutionelle Investoren zeigen also wieder Interesse.
Optionsmärkte: Derive ist bullisch – der Rest zögert
Ein weiteres Puzzlestück kommt vom Derivate-Anbieter Derive. Dort ist die Stimmung unter ETH-Investoren auffallend positiv. Sean Dawson, Head of Research bei Derive, schreibt:
„81,8 % aller ETH-Optionsprämien fließen in Calls. Calls überwiegen Puts im Verhältnis 4:1 – das spricht für eine sehr bullishe Marktmeinung.“
Doch diese Euphorie ist nicht repräsentativ für den Gesamtmarkt. Im breiten Optionsumfeld bleibt die Skepsis spürbar. Laut Dawson liegt die Wahrscheinlichkeit, dass Ethereum bis zum 30. Mai über 2.300 US-Dollar notiert, aktuell bei gerade einmal 9 %. Gleichzeitig ist die Chance auf einen Rückgang unter 1.600 US-Dollar in den letzten 24 Stunden leicht gesunken – von 24 % auf 21 %.
Heißt: Der Markt glaubt aktuell weder an eine starke Rally noch an einen Crash. Es dominiert die Unsicherheit.
In den letzten 24 Stunden wurden laut Coinglass ETH-Futures im Wert von 72,46 Mio. US-Dollar liquidiert. Davon entfielen 60,95 Mio. auf Longs – also Trader, die auf steigende Kurse gesetzt hatten – und 11,51 Mio. auf Shorts. Ethereum konnte sich zuletzt nicht nachhaltig über der Marke von 1.800 US-Dollar halten und pendelt nun zwischen 1.700 und 1.850 US-Dollar.
Charttechnisch bewegt sich ETH innerhalb eines leicht ansteigenden Kanals. Die untere Begrenzung verläuft bei etwa 1.688 US-Dollar. Sollte dieser Bereich nicht halten, wäre die nächste relevante Unterstützungslinie die übergeordnete Abwärtstrendlinie – eine wichtige technische Zone, die über die kurzfristige Richtung entscheiden könnte.
Auf der Oberseite wäre ein stabiler Ausbruch über die obere Kanalgrenze nötig, um eine neue Aufwärtsdynamik zu entfachen.
Kurzfristige Indikatoren wie der 4-Stunden-RSI und der Stochastic-Oszillator bestätigen derzeit den bärischen Trend. Vor allem der Stoch nähert sich der überverkauften Zone – was zumindest eine technische Gegenbewegung denkbar macht.
Ethereum steht aktuell zwischen gegensätzlichen Strömungen: Auf der einen Seite Futures-Händler, die sich absichern oder auf weitere Rückgänge setzen. Auf der anderen Seite langfristig orientierte Anleger, die ihre Bestände abziehen und auf Stabilität hoffen. Auch die ETF-Zuflüsse zeigen, dass institutionelle Investoren nicht ausgestiegen sind.
Kurzum: Der Markt ist unschlüssig. Und gerade das könnte Chancen bieten – vor allem dann, wenn kurzfristig noch einmal Druck aufkommt. Wer langfristig investiert ist, sollte sich davon nicht aus der Ruhe bringen lassen. Wer hingegen überlegt, neu einzusteigen, könnte bald die Gelegenheit dazu bekommen – vorausgesetzt, der Markt sendet ein klares Signal. Bis dahin heißt es: beobachten, nicht überstürzen.